Die Geschichte der Anbauerstelle „Ole Hus“ in Schwalingen, die von den
Einwohnern des Dorfes in späteren Jahren 'Ole Meyer' genannt wird, beginnt im
Krieg und unter recht dramatischen Umständen.
Es ist das Jahr 1806. Im Januar haben die preußischen Truppen das
Kurfürstentum Hannover besetzt "um es vor einer französischen Besetzung zu
schützen", wie es heißt. Aber schon im Herbst des Jahres ist die Armee des
Königreiches Preußen geschlagen und französische Truppen besetzen das Königreich
Hannover. Die Besatzer setzen das hannoversche Verwaltungs- und Rechtssystem
ausser Kraft und ihre eigenen Gesetze ein, den "Code Napoleon". Auch die
Verwaltungsstrukturen werden völlig neu geordnet und der Franken als Währung
eingeführt.
In den Wirren dieser Zeit ist der 43jährige Peter Christoph Hoops Meier auf dem
Halbhof "Peetz" zu Schwalingen. Seit 1748 sind die Hoops die Wirte auf dem "Peetz-
Hof". Damals hatte sich sein Großvater Hans Jürgen Hoops vom Amt Rotenburg mit
dem Halbhof bemeiern lassen.
Seit 1791 ist Peter Christoph Hoops mit Catharine Marie Riebesell aus Tewel
verheiratet. Sie haben im Jahre 1806 drei Töchter als es wirtschaftlich um den "Peetz-
Hof" wohl nicht besonders gut bestellt ist. Jedenfalls bleibt Peter Christoph Hoops
dem Amt Rotenburg die Meierabgaben über mehrere Jahre schuldig. 1806 wird er
vom Amt Rotenburg abgemeiert - er muss mit seiner Familie den Hof verlassen.
Die Gebäude und das Inventar des "Peetz-Hofes" kann Peter Christoph Hoops an
seinen Schwiegervater Hans Christopher Riebesell aus Tewel verkaufen, der sich nun
seinerseits mit dem "Peetz-Hof" bemeiern lässt.
Aber Peter Christoph Hoops hat sich bei diesem Verkauf einen Platz in der
Nachbarschaft zum Halbhof “Hinz” und einige Ackerflächen zurück behalten: Er will
sich und seiner Familie so eine neue Existenz aufbauen. Auf diesem Hofplatz
errichtet er wenig später ein neues Wohnhaus: Es ist die Hofstelle, die heute die
Haus-No.36 trägt und "Ole Meyer" genannt wird. Das Wohnhaus ist 10,5m x 8,6m
lang und breit.
Im Jahre 1815, nach dem Ende der "Franzosenzeit" und der Wiedererrichtung des
Kurfürstentums Hannover, das nun zum Königreich erhoben ist, wird Peter
Christoph Hoops tatsächlich vom Amt Rotenburg mit seiner neuen Hofstelle
bemeiert: 1 Wohnhaus von 2 Fach und 7 Stück Saatland gehören dazu. Die Hofstelle
wird mit der Qualität "Neubauer" ausgestattet.
Schon 12 Jahre später, 1827, hat die Wirtsfamilie auf der Hofstelle
gewechselt und die ursprüngliche Neubauerstelle wird nun als Anbauer- oder
Beibauerstelle geführt. Der neue Wirt ist der 46jährige Hans Peter Gebers, ein
nachgeborener Sohn vom Vollhof "Kain" in Schwalingen. Er hat bis dahin als
Häusling auf dem elterlichen "Kain-Hof" gelebt.
Als in Schwalingen die "Gemeinheitsteilung und Verkoppelung” im Jahre 1838
beginnt, nimmt als Interessent für die Beibauerstelle nicht Hans Peter Gebers teil,
sondern sein 20jähriger Sohn Peter Christoph Gebers. Er bringt für seine Hofstelle 6
Morgen und 104 Quadratruten (QR), also knapp 7 Morgen Land ein, davon gut 5
Morgen Ackerland.
1843 wird in Schwalingen der Viehbestand der Höfe aufgenommen, er wird für
die Festlegung der Verteilungschlüssels bei der Gemeinheitsteilung benötigt. Auf der
Beibauerstelle von Peter Christoph Gebers werden 3 Stück altes Hornvieh festgestellt
und 2 alte Gänse, die zur Zucht dienen.
Im Alter von 30 Jahren heiratet Peter Christoph Gebers am 1.Dezember 1848 die
25 jährige Anna Catharine Peters, die Haustochter vom "Greben-Hof" in
Schwalingen. Am 3.Juni 1849 kommt der Erstgeborene und Anerbe der Beibauerstelle
zur Welt. Er wird auf den Namen Christoph getauft. 3 weitere Jungen und 3 Mädchen
folgen im Laufe der Jahre, ein Kind wird tot geboren.
1857 kommt die Gemeinheitsteilung und Verkoppelung der Dorfschaft
Schwalingen zum Abschluss. Der Grundbesitz der Beibauerstelle von Peter
Christoph Gebers erweitert sich erheblich. Er steigt von 6 Morgen 104 QR auf 14
Morgen 16 QR. Davon sind 5 Morgen Ackerland, 2 Morgen Weideland und gut 5
Morgen Heide. Zusätzlich erhält Peter Christoph Gebers eine Abfindung im "Bruch"
auf der "Wulfshagener Heide" von gut 1 Morgen Größe.
Peter Christoph Gebers richtet seine Beibauerstelle auf den nun größeren
Betrieb ein und erweitert im Jahre 1858 sein Wohnhaus, es misst nun 10,8x9,4m.
Entsprechend erhöht er auch die Versicherungssumme für die Feuerversicherung:
von 75 Thaler auf 175 Thaler. Seine Hofstelle war bei dem großen Schwalinger Brand
vom August 1857, der vom nachbarlichen "Hinz-Hof" ausgegangen war, dank
günstiger Windrichtung verschont geblieben.
Als Folge der Gemeinheitsteilung und Verkoppelung wird von der Königlich-
Hannoverschen Finanzbehörde im Jahr 1862 eine Neuveranlagung für die
Grundsteuer durchgeführt. Auch die Ländereien der Beibauerstelle von Peter
Christoph Gebers, die inzwischen die Haus-No.36 in Schwalingen erhalten hat,
werden aufgenommen: Er besitzt 6 Parzellen mit insgesamt 13 Morgen 86QR,
nämlich
Vor dem Hungerkamp 2 Morgen 119 QR Weideland
Beim Hause
18 QR Gartenland
Beim Hause
114 QR Weide
Auf den breiten Blöcken 2 Morgen 79 QR Ackerland
Auf den breiten Blöcken 5 Morgen 31 QR Weideland
Westerfeld Bultacker 1 Morgen 95 QR Ackerland
1866 verliert das Königreich Hannover den Krieg gegen das Königreich Preußen.
Das Königreich wird annektiert und zur preußischen Provinz Hannover.
Die Wirtschaft auf der Beibauerstelle von Peter Christoph Gebers entwickelt sich
weiter erfolgreich. Der Wirtschaftsteil seines Wohnhauses reicht nicht mehr aus. Er
baut im Jahr 1868 eine neue Scheune von 10,8x4,7m Länge und Breite. Und er
Die Wirtefolge der Anbauerstelle “Ole Meyer”.
1806 - 1827
Peter Christoph Hoops (*1763 +1835)
1827 -
1838
Hans Peter Gebers (*1781 +1860)
1838 - 1889
Peter Christoph Gebers (*1818 +1889)
1889 - 1906
Christoph Gebers (*1849 )
1906 - 1839
Dietrich Friedrich Adolf Meyer (*1864 +1839)
1839 - 1972
Friedrich Adolf Meyer (*1891 +1972)
kauft Land hinzu: 1875 besitzt er 9 Parzellen mit insgesamt 4 Hektar 6ar 4qm.
Im Jahre 1877 erweitert Peter Christoph Gebers, er ist inzwischen 59 Jahre
alt, sein Wohnhaus und baut in der Länge gut 2m an, es misst nun 12,7x9,0m
Länge und Breite. Die Versicherungssumme verdreifacht er auf 2100
Reichsmark.Die Scheune bleibt unverändert, aber ihre Versicherungssumme
wird erhöht, auf 400 Reichsmark.
Nach dem Tode von Peter Christoph Gebers am 15.11.1889 führt sein
40jähriger Sohn Christoph die Wirtschaft auf dem Hof Schwalingen No.36
weiter. Er wird auch als Nachbar und entfernter Verwandter zu einer Hochzeit
auf dem Vollhof "Kain" eingeladen worden sein: Am 7.August 1891 heiratet
dort die 21jährige Haustochter Anna Catharina Gebers den 26jährigen Arbeiter
Dietrich Friedrich Adolf Meyer aus Brochdorf.
Dietrich Friedrich Adolf Meyer wird wohl bereits vor seiner Heirat auf
dem "Kain-Hof" gearbeitet haben. Nach der Heirat jedenfalls und in den
folgenden Jahren lebt er dort mit seiner Ehefrau als Pächter. Auch sein Sohn
Friedrich Adolf Meier wird dort geboren, schon am 6.November 1891.
15 Jahre später, im Jahr 1906, erwirbt Dietrich Friedrich Adolf Meyer
im Alter von 42 Jahren die Anbauerstelle Schwalingen No.36 von Christoph
Gebers, der inzwischen 57 Jahre alt ist. Bis zu seinem Tode am 11.Januar 1939
prägt Dietrich Friedrich Adolf Meyer die Anbauerstelle „Ole Hus“ oder "Ole
Meyer", wie die Schwalinger sie nach ihm auch nennen.
Am 1.Weltkrieg nimmt Dietrich Friedrich Adolf Meyers Sohn Friedrich
Adolf von 1914 an teil. 23jährig wird er im August 1914 eingezogen und in den
folgenden Jahren bei den Kämpfen in Frankreich mehrfach verwundet. Im
Oktober 1918 gerät er in englische Kriegsgefangenenschaft, aus der er 1 Jahr
später, im Novermber 1919 nach Schwalingen zurückkehrt.
Während sein Vater die Landwirtschaft auf der Anbauerstelle weiterführt,
beginnt Friedrich Adolf Meyer im Jahre 1920 einen Eier- und
Geflügelhandel.
Das Geschäft entwickelt sich vielversprechend und Friedrich Adolf Meyer
hat kaufmänisches Talent. Im Jahr 1923 gründet er den
"Kolonialwarenhandel Adolf Meyer"
und eröffnet auf der Anbauerstelle Schwalingen No.36 ein Geschäftslokal.
Im selben Jahr der Gründung des Kolonialwarenhandels, am 15.April 1923,
heiratet Friedrich Ad0lf Meier, 31 Jahre alt, die 30jährige Anna Steffens. Sie ist
Tochter des Anbauers Friedrich Steffens auf dem "Sandmann-Hof",
Schwalingen No.29.
Die Geschäfte von Friedrich Adolf Meyer laufen so gut, dass er wenige
Jahre später ein neues Wohn- und Geschäftshaus auf seiner Hofstelle
errichten kann. Die Ladenräume werden in späteren Jahren sogar noch
erweitert und die landwirtschaftlichen Flächen der Anbauerstelle verpachtet.
Der Kolonialwarenhandel ist nun und für die nächsten Jahrzehnte
Haupterwerb der Familie Meyer auf dem Hof 'Ole Hus'.
Heute ist Manfred Meyer, Jahrgang 1955, Besitzer der Anbauerstelle “Ole Meyer”. Er ist der Enkel von Friedrich Adolf Meyer, dem Gründer
des Kolonialwarengeschäftes “Adolf Meyer”.
Manfred Meyers Mutter Irmgard, geborene Schulz, kam am 3.März 1945 zusammen mit ihrer Mutter Martha und ihren Geschwistern Franz,
Gerhard und Erika als Kriegsflüchtling aus Ostpreußen in Schwalingen an. 6 Jahre später heiratet sie Manfred Meyers Vater Albert Adolf
Meyer, Friedrich Adolf Meyers Sohn.
Gerhard Schulz, Irmgard Meyers Bruder, hat im Jahr 2000 die Geschichte der Flucht seine Familie im Februar/März 1945 von Ostpreußen
nach Schwalingen aufgeschrieben -
Die Anbauerstelle ‘Ole Hus’
im Heidedorf Schwalingen