zu ihrem Vater um. Aber der Versuch währt nicht lange, zu eigenwillig ist der
Charakter von Johann Hinrich von Fintel. Marie zieht mit ihrer Familie in das
"Tieten-Hüsel" zurück.
Nun kommt Johann Friedrich von Fintel mit seiner zweiten Tochter Anna
Sophie überein, seine Neubauerstelle zu übernehmen. Nach den gemachten
Erfahrungen will man es aber besonders gut machen. Anna Sophie ist seit 1899
mit Johann Friedrich Böhling verheiratet, dem Anbauer auf dem früheren
Halbhof "Eggers" Schwalingen No.35.
Ihm, dem Schwiegersohn, verkauft Johann Hinrich von Fintel
im August 1906 seine Neubauerstelle Schwalingen No.33 "mit
allen dazu gehörigen Gebäuden und Grundbesitz von etwas mehr als 16 Hektar
sowie sämtliches bewegliches und unbewegliches Inventar unter Ausschluß von
einem Kleiderschrank, einem Koffer, einem Bett mit Bettstelle" für einen
ansehnlichen Geldbetrag und sein Altenteil - und er bedingt sich die
"Mitbenutzung des Sparherdes in der Küche" aus.
Anschließend beschließt Johann Hinrich von Fintel, eine große Reise zu
machen und seinen Sohn Carl auf seiner großen Farm in Amerika zu
besuchen. Die Reise macht er aber nicht allein: Er nimmt seine 15jährige
Nichte Ida Böhling vom "Menken-Hof" mit - sie wandert nach Amerika aus, zu
ihren Brüdern nach Nebraska. Am 12.November 1906 schiffen sie sich in
Bremen auf dem Dampfer "Neckar" ein, um über New York weiter nach
Nebraska zu reisen.
Nach seiner Rückkehr aus Amerika beginnt das gemeinsame Leben und
Wirtschaften von Johann Hinrich von Fintel und der Familie seiner Tochter
Anna Sophie auf der Neubauerstelle Schwalingen No.33. Man versucht, mitein-
ander zurecht zu kommen. "Aber sie können sich einfach nicht vertragen",
erzählt man sich im Dorf. Nach 5 Jahren ist auch diese Lösung gescheitert.
Im Januar 1912 verkauft Johann Friedrich Böhling die
Neubauerstelle Schwalingen No.33 und zieht mit seiner Familie
zurück auf den "Eggers-Hof". Käufer der Hofstelle ist der 30jährige Hinrich
Christoph Otto Steinke gebürtig aus Timmerloh bei Soltau.
Durch den Kauf wird Hinrich Christoph Otto Steinke Neubauer in
Schwalingen mit einer großen Hofstelle und einem Grundbesitz von gut 14
Hektar. 3 Monate später, am 23.April 1912, heiratet er die gleichaltrige
Catharina Minna Ida Schröder aus Söhlingen.
Otto Steinke akzeptiert in dem Kaufvertrag aber auch eine eher unge-
wöhnliche Bedingung: Er übernimmt auch das Altenteil von Johann Hinrich
von Fintel, der so Mitglied wird im Haushalt von Otto Steinke. Nach der
Vorgeschichte der gescheiterten Versuche einer Hofnachfolge bietet das
natürlich interessanten Gesprächsstoff im Dorf: "Harm-Opa ist mitverkauft
worden." erzählen sich die Schwalinger und sind gespannt, wie es weiter geht.
Aber es geschieht das Unerwartete. Otto Steinke und Johann Hinrich von
Fintel verstehen sich und kommen miteinander aus.
Nach Ausbruch des 1.Weltkrieges 1914 wird Otto Steinke zunächst zum
Landsturm ausgemustert und hofft, dadurch vom Kriegseinsatz verschont zu
bleiben. Aber im Juni 1915 erhält er überrraschend den Befehl zur sofortigen
Gestellung. Er muss "Hals über Kopf" abreisen. Seine Frau Ida ist im 7.Monat
schwanger, seine erstgeborene Tochter Olga gerade 1 Jahr alt geworden.
In den folgenden Kriegsjahren, in denen Otto Steinke Soldat an der Front
in Frankreich und Belgien sein muss, bewirtschaftet Johann Hinrich von Fintel
die Neubauerstelle - so wie in der Zeit, als er noch selbst der Wirt war. Er kann
gut mit Kindern umgehen und wird über die Jahre ihr 'Opa'. 1932 stirbt Johann
Hinrich von Fintel, 86 Jahre alt.
Die Erbfolge auf der Neubauerstelle der Familie Steinke scheint gesichert.
1915 wird der Anerbe Otto geboren, 1920 kommt Richard zur Welt. Aber dann
bricht der 2.Weltkrieg aus. Im Oktober 1940 wird Richard einberufen und 1
Jahr später, bei Beginn des Russlandsfeldzuges schwer verwundet. Im Januar
1944 wird sein Bruder Otto an der Ostfront vermisst.
Richard Steinke überlebt seine schwere Kriegsverwundung. Nach dem
Krieg und amerikanischer Gefangenschaft kehrt er auf die Neubauerstelle
seiner Familie in Schwalingen zurück. 1946/47 wird eine neue große
Durchfahrtsscheune errichtet und bald darauf die alte Scheune abgetragen.
1949 heiratet Richard Steinke die 22jährige Elli
Warnke, in Sprengel gebürtig und gründet eine eigene
Familie auf der Neubauerstelle. 1961 wird ihm der Hof
von seinem Vater Otto Steinke übertragen.
In den 1980er Jahren stellt Richard Steinke die
Wirtschaft auf der Neubauerstelle ein und setzt sich
mit seiner Frau Elli zur Ruhe - liebevoll umsorgt von
ihren drei Töchtern, die inzwischen ihre eigenen
Hausstände gegründet haben - ausserhalb von
Schwalingen.
Im Januar 2012 feiert Richard Steinke in seinem
92.Lebensjahr ein Jubiliäum: Seine Neubauerstelle
Schwalingen No.33 ist seit 100 Jahren im Besitz seiner
Familie.
Die Wirtefolge der Neubauerstelle “Steinke”.
1846 - 1871
Hans Hinrich Reinke *1811 +1879
1871 - 1880
Johann Friedrich Söhnholz *1814 +1880
1880 - 1880
Carl Georg Söhnholz *
+1902
1880 - 1906
Johann Hinrich von Fintel *1847 +1932
1906 - 1912
Johann Friedrich Böhling *1870 +1941
1912 - 1961
Hinrich Christoph Otto Steinke *1881 +1978
1961 -
Richard Willi Steinke *1920
Die Lage der Neubauerstelle “Steinke”
auf einer Karte von 1870
Am östlichen Ortseingang des Heidedorfes Schwalingen liegt eine alte
Hofstelle, Haus-No.33. Das Wohnhaus ist in seinem ursprünglichen,
beeindruckenden Zustand erhalten geblieben. Obwohl bald 170 Jahre alt, hat
dieser Hof keinen eigenen Hofnamen erhalten. Vielleicht liegt es daran, dass
nach seiner Gründung schon bald die Eigentümer in rascher Folge wechselten?
Heute sagt man in Schwalingen "bi Steinke", wenn diese Hofstelle gemeint ist.
Der Hof ist seit 100 Jahren in Besitz der Familie Steinke.
Die Geschichte dieses Hofes beginnt Anfang der 1840er
Jahre auf einem anderen Schwalinger Hof: Auf der Neubauer-
stelle "Harm", Schwalingen No.25. Neubauer auf dem "Harm-Hof" ist der 1811
geborene Hans Hinrich Reinke. Sein Großvater Harm Reincken hat diese
Neubauerstelle im Jahre 1786 gegründet - nach ihm ist sie benannt.
Im Dezember 1838 beginnt die Gemeinheitsteilung und Verkoppelung in
Schwalingen. 3 Vollhöfner, 14 Halbhöfner, 1 Brinkköthner, 7 Neubauer, 11
Anbauer und 28 auswärtige Grundbesitzer in der Gemarkung Schwalingen
nehmen an dem Verfahren als Interessenten teil. Insgesamt werden 3905
Morgen (976 Hektar) Eigen- und Gemeinheitsflächen nach genau festgelegten
Bewertungsmethoden neu verteilt.
Entsprechend der Struktur der Schwalinger Interessenten ist die
Gesamtfläche von 3905 Morgen gleich 85 Anteile gesetzt: Vollhöfner haben
Anspruch auf 6 Anteile, Halbhöfner auf 4, Brinkköthner auf 2 und Neubauern
auf 1 Anteil. Hans Hinrich Reinke hat also schon früh im Verfahren erkannt,
dass sich die Wirtschaftsflächen seiner Neubauerstelle durch die Gemein-
heitsteilung erheblich vergrößern werden - von ursprünglich etwa 2,3 Hektar
auf mehr als 11,5 Hektar. Und darauf stellt er sich weitblickend ein.
Seit 1841 ist Hans Hinrich Reinke mit Anna Margarethe von Fintel
verheiratetet, der Haustochter vom nahe gelegenen Halbhof "Fintelmann".
Vielleicht hat er seinen großen Entschluss getroffen, als im September 1844
sein Sohn Johann Friedrich Reinke geboren wird und damit die Erbfolge auf
dem "Harm-Hof" gesichert ist. Jedenfalls entschließt sich Hans Hinrich
Reinke, östlich des Schwalinger Baches, nahe seiner zukünftigen Wirtschafts-
flächen, in der Flur "Im Riep", eine neue Hofstelle zu errichten, dorthin
umzusiedeln und den alten "Harm-Hof" zu verkaufen.
Und nicht nur das: Er errichtet dort, am östlichen Rand des Dorfes,
jenseits des Schwalinger Baches, ein Niedersächsisches Hallenhaus für seine
Landwirtschaft, aber auch groß genug, um zusätzlich eine Gastwirtschaft zu
betreiben. Es wird beachtliche 17,5 x 11,0m lang und breit.Und auch eine
Scheune wird gebaut, 8,8 x 7,6m lang und breit. Am 20.Juli 1846 ist der große
Tag, das neue Wohnhaus wird gerichtet, Schwalingen No.33.
Es gibt Anzeichen, dass in den Anfängen auch der Hofname "Harm-Hof"
auf die neue Hofstelle von Hans Hinrich Reinke übertragen wurde. Im Laufe
der Zeit verblasst er aber an dieser Stelle und ein eigenständiger Hofname
entsteht nicht. Der Hofname "Harm-Hof" bleibt für die alten Neubauerstelle
Schwalingen No.25 erhalten.
Zusätzlich zu der erheblich vergößerten Landwirtschaft trägt auch die
Gastwirtschaft zum wirtschaftlichen Erfolg von Hans Hinrich Reinke bei. Sie
wird gerne von Gästen angesteuert, die den "Wunderdoktor" Heinrich
Christoph Witte auf dem nachbarlichen "Peetz-Hof" als Patienten aufsuchen.
1862 wird das Wohnhaus um gut 2m verlängert, es misst nun 19,6m x 11m
Länge und Breite. Und die Scheune wird um einen Stallteil erweitert, in dem
nun die Schweine aus dem Wohnhaus untergebracht werden, sie wird um
ganze 4 m verlängert, auf 12 x 7,6m Länge und Breite.
In den späteren 1860er Jahren verändert sich die bisher so gute Lage. Die
Patienten des "Wunderdoktors" auf dem "Peetz-Hof" wenden sich mehr und
mehr seinem Neffen und Nachfolger Hinrich Christoph Witte auf dem
"Schün-Hof" am anderen Ende des Dorfes zu, zu weit für einen Fußmarsch der
Patienten. Und als dann 1866 der Halbhöfner Johann Hinrich Gebers auf
seinem "Reuers-Hof", nahe des "Schün-Hofes", auch noch eine Gastwirtschaft
einrichtet, verliert wohl die Gastwirtschaft von Hans Hinrich Reinke an
Anziehungskraft.
1866, im Deutschen Krieg, geht das Königreich Hannover unter und wird
zur Provinz Hannover im Königreich Preußen. Gegen Ende der 1860er Jahre
stehen die Zeichen auf Krieg zwischen Preußen und Frankreich. Was auch
immer die wirklichen Gründe waren, Hans Hinrich Reinke entschließt sich
jedenfalls in dieser Umbruchzeit um 1870, seine Neubauerstelle nicht an
seinen Sohn und Anerben Johann Friedrich Reinke zu vererben, sondern sie zu
verkaufen. (Johann Friedrich Reinke gründet in späteren Jahren die
Anbauerstelle “Orthmann”.)
Im Mai 1871 schließt Hans Hinrich Reinke in seinem 59.Lebens-
jahr den Verkaufsvertrag über seine Neubauerstelle mit dem Kauf-
mann Johann Friedrich Söhnholz, der anschließend mit seiner Familie aus
Müden nach Schwalingen umsiedelt. 12 Parzellen Land gehören zu der
Hofstelle, insgesamt knapp 14 Hektar.
Nur 25 Jahre nach der Errichtung der neuen Hofstelle und 85 Jahre nach
der ursprünglichen Ansetzung auf dem "Harm-Hof" ist die Zeit der Familie
Reinke als Neubauer in Schwalingen zu Ende. Hans Hinrich Reinke stirbt 8
Jahre später im April 1879 als Häusling in Schwalingen an Auszehrung, 67
Jahre alt.
Johann Friedrich Söhnholz bewirtschaftet mit seiner Familie die
Neubauerstelle bis 1880. Im Juli des Jahres stirbt er, 66 Jahre alt. Der Hof geht
in Konkurs und muss im Juni 1881 zwangsversteigert werden. Der Vollhöfner
und Gastwirt Heinrich Christian Söhnholz aus Müden ersteigert die Neubauer-
stelle samt Zubehör und aller Flurstücke für sein Mündel, den taubstummen
Georg Carl Söhnholz - Vormund und Mündel sind Brüder des verstorbenen
Johann Friedrich Söhnholz.
Schon wenige Monate später, im September 1881 verkauft
Heinrich Christian Söhnholz im Namen seines Mündels Carl Georg
Söhnholz die Neubauerstelle in Schwalingen No.33 weiter. Käufer ist der
34jährigeSchwalinger Häusling Johann Hinrich von Fintel.
Der Vater von Johann Hinrich von Fintel ist der Abbauer Hinrich Friedrich
von Fintel, ein nachgeborener Haussohn vom Vollhof "Böhlen" und seine
Mutter Clara Margarethe ist eine geborene Röhrs vom Halbhof "Tönners" in
Schwalingen. Als 9jähriger hat Johann Hinrich von Fintel erlebt, wie sein
elterlicher Hof, der "Bult-Hof", im August 1857 im Großen Schwalinger Brand
ein Raub der Flammen wurde.
Nun ist Johann Hinrich von Fintel
Besitzer der Neubauerstelle Schwalingen
No.33. Seit April 1875 ist er mit Anna Sophia
Böhling verheiratet, eine Haustochter vom
Brinkköthner "Menken" in Schwalingen.
Als sie die Neubauerstelle beziehen, haben
sie bereits 3 Kinder: Die Zwillingstöchter
Wilhelmine Marie und Anna Sophie, sowie
den Sohn Carl Hinrich.
Die Neubauerstelle von Johann Hinrich von Fintel besteht zu dieser Zeit
aus “einem aus Fachwerk erbauten mit Stroh gedeckten Wohnhaus, enthaltend
2 Stuben, 3 Kammern, 1 geräumige Hausdiele, Feuerherd, sowie Bodenraum und
Stallung, einem kleinen Anhang an der östlichen Seite des Hauses, einer aus
Fachwerk erbauten, mit Stroh gedeckten Scheune und einem Landbesitz von
knapp 14 Hektar.”
14 Jahre später, im Jahr 1894, beschließt Haussohn und Anerbe Carl
Hinrich von Fintel, er ist 17 Jahre alt, nach Amerika auszuwandern. Wenige
Jahre zuvor sind Verwandte vom "Böhlen-Hof" schon ausgewandert. Ihnen
möchte sich Carl nun wohl anschließen.
So ganz ohne Sorgen dürfte Johann Hinrich von Fintel die Entscheidung
seines Sohnes und Anerben nicht hingenommen haben. Denn nun war die
Nachfolge auf seiner Neubauerstelle nicht mehr gesichert. Als dann im März
1905 seine Ehefrau Anna Sophia im Alter von 59 Jahren stirbt, ist er 58 Jahre alt
und allein auf seiner Neubauerstelle - die beiden Töchter sind seit Jahren im
Dorf verheiratet.
Um die Zukunft seiner Neubauerstelle zu regeln, bietet er seiner Tochter
Wilhelmine Marie an, auf den Hof zu ziehen. Sie ist seit 1902 mit dem
Schwalingen Häusling Friedrich Christoph Röhrs verheiratet und wohnt im
"Tieten-Hüsel", Schwalingen No.38. Tatsächlich zieht Marie mit ihrer Familie
Die Lage der Neubauerstelle “Steinke”
auf einer Karte von 1899
Neubauerstelle “Steinke”, im Winter 1952/1953
Gründer Reinke
Söhnholz
von Fintel
Böhling
Steinke
Der “Steinke-Hof im Jahre 2008
Die Neubauerstelle ‘Steinke’
im Heidedorf Schwalingen