6 Monate nach Beginn des 1.Weltkrieges, im Januar 1915, wird Heinrich
Meyer zum Kriegsdienst eingezogen, er ist 37 Jahre alt. Seine steife rechte Hand
bewahrt ihn vor dem Einsatz an der Front. Ihm wird die Kriegs-
Verwendungsfähigkeit "g.v.H." zugewiesen, das bedeutet, dass er nur in der
Heimat garnisonsdienstfähig ist.
Von Januar bis Ende September 1915 ist Heinrich Meyer der
2.Kompagnie des Landsturm-Infanterie-Ersatz Bataillons III
Hannover (X 16) zugewiesen. Dann dient er in den nächsten 2 Jahren bis Februar
1918 in der 1.Kompagnie des II.Landsturm-Infanterie-Bataillon Lüneburg.
Im Oktober 1916 ist Heinrich Meyer zum Schanzen in Heidmühle eingesetzt.
Beim Verlegen von Eisenbahnschienen erleidet er eine schwere Quetschung
seine des linken Oberschenkels, als er mit dem Bein unter eine Schiene gerät. Im
Mai 1917 ist er "im Kriegsgebiet Insel Norderney" eingesetzt.
Ab Februar 1918 ist er der 1.Kompagnie des Landsturm-Infanterie-
Regimentes X 4 Lingen zugeteilt, das in Soltau stationiert ist. Hier erlebt
Heinrich Meyer auch das Ende des 1.Weltkriegs. Am 30.11.1918 wird er "infolge
Demobilisierung ohne Vertrag" aus dem Landsturm entlassen - ihm wird eine
"sehr gute" Führung bescheinigt, Strafen hatte er “keine” zu verbüßen.
Ende Dezember 1918 kehrt Heinrich Meyer auf seine Anbauerstelle in
Schwalingen und zu seiner Familie zurück. 4 lange Jahre war er fort und ist nun
41 Jahre alt. Tochter Emmi wird im folgenden Jahr 1919 geboren.
8 Jahre später beschließt Heinrich Meyer, sein
Einkommen durch einen Nebenerwerb zu verbessern. Er hat
eine Stelle als Reisender bei der "Bezugs- und Absatzgenossenschaft
Neuenkirchen und Umgegend" angenommen. Im Mai 1927 stellt ihm der Landrat
in Soltau eine Legitimationskarte aus, ohne die er als Handlungsreisender nicht
tätig werden darf.
Die Geschäfte laufen für Heinrich Meyer wohl gut, denn er erwirbt weitere
Grundstücke für seine Anbauerstelle hinzu. Im September 1927 kauft er von dem
Schwalinger "Hofbesitzer und Auktionator" Wilhelm Witte (Schün-Hof,
Schwalingen No.4) zwei Grundstücke und später, im Januar 1930, ein Grundstück
vom Schwalinger Halbhöfner Friedrich Lünzmann (Born-Hof, Schwalingen
No.34). Dennoch wird sich Heinrich Meyer gefreut haben, als endlich, im
September 1933, seine steife rechte Hand als Invalidität anerkannt wird und er
eine Rente von jährlich 330 Reichsmark zuerkannt erhält, ab 1943 dann 360
Reichsmark.
Auch seine Hofstelle erweitert Heinrich Meyer. Im Frühjahr 1929 errichtet
Heinrich Meyer einen Fachwerk-Schuppen zu Lagerung von Holz und Torf. Der
Schwalinger Bürgermeister und Lehrer Klinge hilft ihm bei der Beantragung der
erforderlichen Baugenehmigung. Der Schuppen wird 3x3m groß und erhält ein
Schleppdach von 3 m Breite. Den Auftrag zur Ausführung erhält der
Zimmerermeister Diedrich von Wieding aus Delmsen. Fünf Jahre später, im
März 1935, beantragt Heinrich Meyer die Erweiterung dieses Schuppens. Es soll
ein Hühnerstall werden. Inzwischen ist Otto Gebers (Lümas-Hof, Schwalingen
No.13) Bürgermeister in Schwalingen. 5x5m wird der Hühnerstall groß und erhält
einen Scharrraum und einen Schlafraum für die Hühner. Das 3m breite
Schleppdach des Schuppens wird entsprechend verlängert. Zimmerermeister
Wilhelm Böhling aus Tewel führt den Bau aus.
Als ihm das Anerbengericht Soltau im
September 1934 mitteilt, dass seine
Anbauerstelle nach dem Reichserbhofgesetz in die Erbhöferolle der Gemeinde
Schwalingen aufgenommen wurde, legt Heinrich Meyer Einspruch ein. "Meine
Anbauerstelle stellt keine selbständige Ackernahrung dar", erklärt er gegenüber
dem Anerbengericht. Seine landwirtschaftlichen Grundstücke liegen weit
auseinander und sind allesamt kleine Parzellen von leichtem Sandboden, die
keinen ausreichenden Ertrag bieten. Der größere Teil seiner Flächen sei sogar
noch Heideland, "der sich für die Kultivierung nicht eignet", ergänzt Heinrich
Meyer. Um den Lebensunterhalt für seine Familie zu erwirtschaften, macht
Heinrich Meyer zusätzlich mit seinem Pferdegespann Lohnfuhren. Die Hälfte
seines Einkommens erwirtschaftet er mit dieser Tätigkeit. Sein Einspruch hat
Erfolg.
Richard Steinke (Neubauer, Schwalingen No.33), Jahrgang 1920, der sich
noch gut an Heinrich Meyer erinnern kann, berichtet:" Heinrich Meyer, der hat
Mehl und Schrot für die Elektromühle in Neuenkirchen gekutschert. Er holte das
Korn von den Höfen in den Dörfern ringsum ab und brachte dann das Mahlgut
wieder zurück."
Gegen Ende der 1930er Jahre hat die Anbauerstelle von Heinrich Meyer eine
Betriebsfläche von 14,4 Hektar, davon sind 3,8 Hektar angepachtet und gut 4
Hektar Heide. 2 Pferde gehören zum Hof, 5 Milchkühe, 11 Mastschweine und 2
Zuchtsauen, 98 Legehennen und 2 Hähne. Elektrischer Lichtanschluss ist auch
vorhanden, aber die Versorgung von Mensch und Vieh mit Trinkwasser geschieht
mit einer Handpumpe aus dem Brunnen des Hofes.
Ein halbes Jahr nach Ausbruch des 2.Weltkrieges, im Mai
1940, wird Heinrich Meyers noch unverheirateter Sohn KARL,
34 Jahre alt, zum Kriegsdienst eingezogen. "Nun musste ich die Wirtschaft allein
übernehmen", berichtet Heinrich Meyer später von dieser einschneidenden
Veränderung auf seinem Hof. Zu seinem Haushalt gehören zu dieser Zeit neben
ihm selbst, er ist nun 62 Jahre alt, nur noch seine zwei Jahre jüngere Ehefrau
Marie und die jüngste Tochter Emmi, 21 Jahre alt und unverheiratet. Heinrich
Meyer stellt den Ackerbau seiner Anbauerstelle um und spezialisiert sich auf
"Kartoffelsaatgutvermehrung".
Im Frühjahr 1944 nehmen die Bombardierungen der Großstädte in
Deutschland durch die Kriegsgegner dramatisch zu. Ihre Bewohner werden in die
Dörfer auf dem Lande evakuiert. Zur Unterbringung dieser "Bombenflüchtlinge"
wird im April 1944 auch in Schwalingen auf den Höfen Wohnraum requiriert.
Auch Heinrich Meyer soll auf seiner Anbauerstelle einen Raum dafür zur
Verfügung stellen. Aber er macht die ohnehin beengten Wohnverhältnisse auf
seinem Hof geltend und bittet das Landratsamt Soltau, die Beschlagnahme
aufzuheben. Seiner Eingabe wird im Juni 1944 entsprochen.
Ein weiterer Grund für die Eingabe von Heinrich Meyer werden auch seine
familiären Verhältnisse gewesen sein. Denn seine Ehefrau Marie ist schwer an
Zucker erkrankt. Sie stirbt im Juli 1944, 64 Jahre alt.
Nun muss Heinrich Meyer mit seiner Tochter Emmi allein auf dem Hof
wirtschaften. Es ist immer noch Krieg und der Druck auf die Bevölkerung
wächst. Im September 1944 erhält Heinrich Meyer vom "Niedersächsischen
Milch-Fett- und Eierwirtschaftsverband" einen "Eierablieferungsbescheid für die
Jahre 1944/1945". In der Zeit vom September 1944 bis September 1945 hat er
insgesamt 3290 Eier abzuliefern. Doch sind darüber hinaus alle Eier, die bei
sparsamstem Verbrauch im eigenen Haushalt nicht verbraucht werden, ebenfalls
abzuliefern. "Das festgesetzte Soll muß aufgebracht werden und kann unter
keinen Umständen verringert werden", ist im Bescheid drohend zu lesen. Woche
für Woche liefert Heinrich Meyer nun die Eier ab, die seine knapp 100 Hühner
legen. Als Ausgleich erhält er 9 Pfennige pro Ei ausgezahlt.
"Dann brachen 1945 die Feinde in unser Land ein und wir hatten den Krieg
vor der Tür", erzählt Heinrich Meier später. Und nach dem Ende des
2.Weltkrieges dann im Mai 1945 übernimmt die Britische Militärregierung als
Besatzer das Kommando in Schwalingen. Alle Bürger werden registriert und der
69jährige Heinrich Meyer erhält, wie wohl alle anderen Schwalinger auch, das
strengste Verbot, die Gemeinde Schwalingen zu verlassen. "Zuwiderhandlung
gegen diese Maßnahme führt zur sofortigen Verhaftung" erfährt Heinrich Meyer
als er seine Unterschrift unter das Dokument setzt.
Im Juni 1945 hat eine große Sorge
von Heinrich Meyer ein Ende - sein
verwundeter Sohn KARL kehrt nach fast 5 Jahren Kriegsdienst und
Gefangenschaft nach Hause auf seinen elterlichen Hof zurück.
Das Leben muss weitergehen. Schon im Oktober 1945 heiratet Sohn KARL
Meyer, er ist nun 39 Jahre alt, die 35jährige Wirtschafterin Käthe Dorothea Anna
Kanzelmeier aus Finna, Landkreis Cuxhaven. Im Juli 1946 wird Heinrich Meyers
Enkel KARL-HEINZ geboren, der heutige Besitzer der Anbauerstelle "Bargmeyer".
Für Heinrich Meier ist das eine große Freude und Erleichterung. " Nun
konnte ich mich so etwas aus der Arbeit zurückziehen und meinem Lebensabend
in Frieden und voller Gottvertrauen entgegen gehen" sagt er später in seinen
Erinnerungen.
Im Alter von 74 Jahren, im November 1951, übergibt Heinrich Meyer seinem
Sohn und Erben KARL Meyer seine Anbauerstelle "Bargmeyer" zum Eigentum. Er
selbst bezieht das verbriefte Altenteil auf dem Hof, das er noch neun weitere Jahre
genießen kann. Am 4.1.1960 stirbt HEINRICH Friedrich Meyer im Alter von 82
Jahren auf der von ihm gegründeten Anbauerstelle "Bargmeyer" zu Schwalingen.
Im Krieg.
Weiter voran.
Wieder Krieg.
Vertrauen in die Zukunft.
Ein zweites Standbein.
“Bargmeyer-Hof”
in den 1950er Jahren.
Die Anbauerstelle ‘Bargmeyer’
im Heidedorf Schwalingen
2.Teil